Top-rated
Sat, Feb 25, 2023
Eineinhalb Jahre nach dem Brand von Notre-Dame beschäftigt die mit der Restaurierung beauftragten Architekten und Wissenschaftler vor allem eines: die Stabilität der Gewölbe von Notre-Dame. Durch Modellierung der Kirchenstruktur entdecken sie die bewegte Baugeschichte der Kathedrale und verstehen, woraus das Gebäude seine große Widerstandskraft bezog. Die im 12. Jahrhundert auf der Île de la Cité errichtete Kathedrale Notre-Dame de Paris war zu ihrer Bauzeit das höchste Kirchengebäude der Welt. Durch ihren Grundriss, die einzigartige Steinmetzkunst und die Form ihrer Gewölbepfeiler markiert sie den Eintritt der gotischen Architektur in ein neues Zeitalter. Durch den Brand vom 15. April 2019 stürzte die Turmspitze über den Gewölben zusammen und zerbrach auf der Höhe des Querschiffs. Das mit Bleiblech gedeckte Dach und der Dachstuhl, die von den Flammen verschlungen wurden, lasteten nicht mehr auf den Mauern, was die Stabilität des Gebäudes beeinträchtigte. Doch trotz der gewaltigen Schäden stürzte die Kathedrale in den Tagen nach der Katastrophe nicht zusammen. Welches sind die Geheimnisse der außergewöhnlichen Widerstandskraft von Notre-Dame? Wie konzipierten die Erbauer die Struktur der Kirche? Und kann die Rekonstruktion des Gebäudes dieselbe Stabilität wie früher garantieren? Oberhalb der Steingewölbe und unter dem riesigen Bleidach befand sich ein eindrucksvoller hölzerner Dachstuhl aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Das Privileg, ihn zu sehen, hatten nur wenige. Da er aus mehr als tausend Eichen bestand, wurde er auch "der Wald" genannt. Unter den Trümmern entdeckten die Archäologen auch eine Vielzahl von Nägeln und anderen Metallbefestigungen, die nicht nur am hölzernen Dachstuhl verwendet wurden, sondern auch rund um die den Chorraum umgebenden Umfassungsmauern. Es ist ein regelrechtes Metallskelett, das die Architekten und Wissenschaftler hier entdeckt haben. Wann wurde dieses Metall angebracht? Im Mittelalter oder in den darauffolgenden Jahrhunderten? War es von Anfang an so vorgesehen oder diente es der Korrektur von später aufgetretenen statischen Problemen? Die Antworten auf diese Fragen könnten wichtige Schlüssel für den Wiederaufbau sein.
Top-rated
Sat, Feb 25, 2023
Von der Struktur und von den Proportionen her war Notre-Dame ein Wunderwerk: Höhe, Licht und Akustik spielten so harmonisch ineinander, dass der Besucher in den Genuss eines wahren Sinneserlebnisses gelangte. Im Innenraum der Kirche stand eine der berühmtesten Orgeln überhaupt. Doch auch bei den archäologischen Ausgrabungen offenbart die Kathedrale einen Teil ihrer Geschichte. Damit die Orgel wieder in Notre-Dame gespielt und zur Geltung gebracht werden kann, muss die Kathedrale zunächst ihre ursprüngliche Akustik zurückgewinnen. Aber auch Licht und Farbe sind durch den Brand verloren gegangen. Glücklicherweise sind alle Glasfenster des Denkmals unbeschädigt geblieben. Doch mehr als tausend Quadratmeter Glas müssen von einer dicken Schicht aus Ruß und Bleistaub befreit werden. Unter den aufeinanderfolgenden Restaurierungsschichten scheinen sich auch einige Hinweise auf den ursprünglichen Farbzustand des Mauerwerks abzuzeichnen: Archäologen finden den Beweis, dass Notre-Dame anfangs vollkommen ausgemalt war. Als Notre-Dame brannte, trauerten Menschen weltweit. Waren sie von ihren Emotionen und ihrer Fassungslosigkeit überwältigt - oder vom Verlust einer gemeinsamen Geschichte? Hatte man wirklich geglaubt, die Kathedralen seien für die Ewigkeit gebaut? Die Männer und Frauen, die auf der Baustelle von Notre-Dame arbeiten, wissen heute, wie empfindlich das Denkmal ist. Trotzdem hat es überlebt, wie es auch die Kriege und die Revolutionen zuvor überlebt hatte. Vom Untergeschoss bis zur Turmspitze muss die Restaurierung dem Geist gerecht werden, der Menschen aus Vergangenheit und Gegenwart in ihren Bann zog.