Optisch beeindruckend, inhaltlich flach, ethisch fragwürdig Visuell bin auch ich von Avatar über alle Maßen begeistert, besonders da ich ihn auf einer riesigen Kinoleinwand gesehen habe. Die Welt von Pandora ist beim ersten Mal so beeindruckend, dass man gewisse Ungereimtheiten, wie etwa dass es keine Kleintiere und Vögel gibt, gar nicht beachtet: Es ist ein Genuss für jeden Kinofreund, der sich von schönen und actionhaltigen Bildern in heute modernster 3D-Kinotechnik beeindrucken lassen will. Dazu eine rührende Geschichte vom "edlen Wilden" und der ignoranten menschlichen Zivilisation, und ein zufriedenstellendes Ende - das natürlich kein Ende ist, aber dazu später mehr.
Doch mehr Positives, als dass er beeindruckende Kinounterhaltung liefert, kann ich diesem Film nicht bescheinigen. Die Grundhandlung rezitiert ein weiteres Mal das Trauma am Genozid der amerikanischen Ureinwohner - einige Parallelen sind überdeutlich, wie die archaische Kultur und das Verbundensein der Na'vi mit der Natur, aber auch der scheinbar so unumgängliche Konflikt um das Land und dessen Schätze, in denen beide Seiten etwas ganz anderes sehen. Es ist nicht sonderlich originell, und schon gar nicht visionär, ein sehr dunkles Kapitel der Menschheitsgeschichte in die Zukunft zu projizieren.
Das Zukunfts-Szenario von Avatar ist dazu typisch für Filme, in denen der kapitalistische Herrschaftstraum weiter geträumt wird: Auf der Erde ändert sich gar nichts. Die großen Konzerne haben die Macht unter sich aufgeteilt, Aktienkurse und Finanzmärkte lenken die Welt. Wir sollen gar nicht auf die Idee kommen, es könne sich jemals auf der Erde etwas ändern: Das Edle und Reine wird deshalb in eine unerreichbare Ferne projiziert. Doch auch im Menschen gibt es noch Edelmut, und der Funke der Hoffnung wird - natürlich - von einem von uns Menschen getragen, der selbstlos, aus Liebe und Überzeugung den Na'vi hilft, sich gegen Ausbeutung und Vernichtung zur Wehr zu setzen. Damit wird dieser in den Augen der anderen zum Verräter in einem Körper, der ihm nicht gehört.
Wer meint, der Film ergreift hier Partei für Jake Sully und die Na'vi, ist getäuscht: Die Na'vi werden zwar überaus positiv und ihr Schrecken sehr ergreifend dargestellt, aber es ist genauso möglich, alle Na'vi-Szenen langweilig zu finden, Sully für einen dummen, unmoralischen Verräter zu halten, und sich vor allem für die Kriegsaction zu begeistern. Die Linkslastigkeit, die "Avatar" von konservativer Seite vorgeworfen wird, ist nur das Feigenblatt auf einer Ideologie des fortgesetzten Imperialismus. Das macht den Film ethisch fragwürdig, denn nach der Gewohnheit von Computerspielen sind die Figuren, die keine Menschen sind, zum Abschuss freigegeben. Spätestens in dem Moment, wenn Jake Sully die Na'vi zum großen Kampf aufruft, ist für mich das Vergnügen an dem Film beendet: Damit wäre selbst durch die absurdeste Wendung in der Geschichte keine friedliche Lösung mehr denkbar. Aber das wäre auch nicht spektakulär, und so können Cameron und Fox zur Freude aller Actionfreunde im furiosen letzten Drittel nochmal hypermodernste Kriegsmaschinerie vorführen - z.B. die Kampfroboter, an deren Entwicklung in der Realität die Rüstungskonzerne schon längst fleißig arbeiten.
Wie ist es damals bei den amerikanischen Ureinwohnern weiter gegangen? Sie haben sich gewehrt, haben auch immer wieder Siege davongetragen und die Weißen zum Rückzug gezwungen. Aber die Eindringlinge kamen immer wieder zurück, mit noch mehr Verstärkung, noch mehr Waffen und noch mehr Gemeinheiten (z.B. mit Krankheitserregern verseuchte Decken - biologische Kriegsführung). Und so wird Avatar auch weiter gehen, wenn Cameron und Fox die Geschichte weiter erzählen. Damit es in Avatar 2 noch mehr Rumms und Action gibt, wird Colonel Quaritch als Klon wiederauferstehen, natürlich noch mehr Hass auf den Verräter Sully und die blauen Na'vi mitbringen, die er für den Tod seines Originals verantwortlich macht, und er wird von dem Konzern mit noch dickeren Kampfmaschinen ausgestattet sein, um freien Zugang zu den Rohstoffen von Pandora zu verschaffen und noch mehr Special Effects zu ermöglichen. Eine traurige Geschichte.
Aber warum ist die Vision des Films, trotz der schönen, lieben Na'vi und des immensen Unterhaltungsfaktors wohl so düster? Es hat sicherlich damit zu tun, in welchem Studio der Film produziert wurde: Fox, Teil von Murdochs News Corporation, kann nur extrem konservative Filme machen. Wenn nicht Fox, sondern Pixar Avatar gemacht hätte, würde er sicherlich ganz anders aussehen, denn die Menschen würden aus ihrer Geschichte wirklich mal gelernt haben und nicht schon wieder einen Genozid versuchen.